Kaum jemand weiß, dass bei der Herstellung von Kunststoffverpackungen mehr Material verwendet wird, als eigentlich notwendig wäre. Das Problem entsteht beim Thermoformen: Konventionelle Heizsysteme erhitzen Plastikfolien flächig. Diese werden anschließend in Form gepresst. Durch das Dehnen des Materials haben z. B. Boden und Wand eines Joghurtbechers nicht die gleiche Stärke. Damit der Becher die nötige Stabilität erhält, verwenden die Hersteller ein dickeres Ausgangsmaterial. Eine Alternative bietet die watttron GmbH. Ihr Heizsystem cera2heat kann präzise ein inhomogenes Temperaturfeld erzeugen. Wie bei einem LCD-Monitor können einzelne Punkte angesteuert und unterschiedlich erwärmt werden. So verteilt sich das Material wie gewünscht. Bei der Herstellung von Verpackungen kann damit bis zu 30 Prozent Material und Energie einspart werden.
Die Grundlagen für die Technologie entwickelten Dr. Sascha Bach und sein Team an der TU Dresden. Ein Unternehmen zu gründen war zunächst nicht das Ziel der Wissenschaftler. Den entscheidenden Anstoß gab die Industrie. Als sie Lizenznehmer suchten, bekamen sie von Maschinenherstellern nur Absagen. Mit Hilfe der Förderung EXIST-Forschungstransfer konnte das Spin-off der Professur Verarbeitungsmaschinen der TU Dresden und des Fraunhofer Instituts für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik Dresden sein Produkt dennoch zur Marktreife führen. 2016 gründeten die Ingenieure Dr. Sascha Bach, Ronald Claus von Nordheim, Marcus Stein und die Volkswirtin Michaela Wachtel watttron. Im eigenen Labor im Technologiezentrum Freital arbeitet das Team an neuen Anwendungsszenarien. So entwickelte es mit cera2seal ein Siegel-Heizsystem, mit dem auch unregelmäßige Verpackungen verschweißt und damit verschlossen werden können.
Der Erfolg spricht für sich. watttron gewann zahlreiche Innovationspreise: u. a. den ACHEMA-Gründerpreis, den Deutschen Verpackungspreis in Gold und den Deutschen Rohstoffeffizienzpreis. Schnell überzeugte das Startup auch zahlreiche Hersteller von Lebensmitteln und Konsumgütern und arbeitet mit ihnen als Pilotkunden an der Serienreife der Technologie. Damit konnte sich das Unternehmen vom ersten Tag an aus eigenen Umsätzen finanzieren.
„Unser Team ist weiter am Wachsen: Wir haben nun die 20er Marke geknackt. Aber nicht die Größe, sondern vor allem die zahlreichen Bewerbungen auf unsere Stellenausschreibungen machen uns stolz. watttron scheint für junge Berufseinsteiger wie auch Experten mit langjähriger Berufserfahrung gleichermaßen attraktiv zu sein“, freut sich Marcus Stein, kaufmännischer Geschäftsführer bei watttron. „Wesentlicher Treiber des Wachstums sind die Projekte mit unseren Kunden, worunter auch immer mehr Maschinenbauer sind, die uns zu Beginn eher kritisch beäugt haben.“
Auf der „Watchlist 2019“ des Magazins Business Punk ist watttron nicht ohne Grund gelandet: „2020 wird ein entscheidendes Jahr für uns. Viele Pilotprojekte werden mit erfolgreichen Tests in realen Produktionsumgebungen zu Ende gehen,“ so Stein. Dann stelle sich für die Kunden die entscheidende Frage: Neuanschaffungen nur noch mit watttron-Technik und sollen Produktionsmaschinen nachgerüstet werden? „Da kommen noch einige zusätzliche Fragestellungen neben den rein technischen auf uns zu. Ansonsten gilt es für 2020 die Organisation für die Größe an Mitarbeitern, aber auch Kundenprojekten, weiterzuentwickeln. Hier sind wir als gesamtes Team dabei, diesen internen Prozess nach unseren Vorstellungen zu gestalten.“
Erstveröffentlicht im Dresdner Universitätsjournal, Ausgabe 18 am 15.11.2019