Mit Weichmachern einen Moment zum „Zwischenfreuen“ nehmen
Nur 5% des in Deutschland produzierten Plastik sind recycelt – Tendenz sinkend, da geringe Erdölpreise kaum einen Produzenten dazu bewegen, in neue Materialien und Prozesse zu investieren. Häufig ist Recyclingplastik ausschließlich in Nischenprodukten zu finden – nicht in den täglich anfallenden Verpackungsbergen.
Eine katastrophale Ausgangssituation, auf die das Dresdner Startup HolyPoly eine ungewöhnlich elegante Antwort hat: wenn die Kunststoffindustrie nicht selbst in großem Maßstab in die Gänge kommt, kommen wir eben zu ihr. Und machen einfach. Das Besondere an HolyPoly ist das innovative Geschäftsmodell in der circular Economy und der eigensinnige Weg dahin: Einfach machen! Alles fing vor ein paar Jahren damit an, dass Dresdner Bürger:innen ihren Plastikmüll vorbei bringen konnten und daraus innovative Wäscheklammern gemacht wurden.
Eindrucksvoll demonstriert haben die Gründer:innen ihren rasanten Weg bis zum heutigen Tag erst kürzlich: in einer mit Metallregalen ausgestatteten schmucken Werkhalle lunst zwischen Fließbändern, Metallrohren und Maschinen kistenweise Plastikschrott hervor: Nuk-Schnuller und Babyflaschen; zudem Berge von Kinderfahrzeugen, alte Bosch Bohrmaschinen und hunderte Barbiebeine. Gut dosiert wirken dazwischen die aussagekräftig platzierten Werbeslogans in HolyPolys genauestens durchdachtem Firmenlayout, zu dem ein Teilnehmer nur wohlwollend meint: „Bei Eurer Homepage bekomme ich Tränen in den Augen!“. Hier sieht alles nach guter und nachhaltiger Arbeit aus. Der Anlass ist die Eröffnung der neuen „Closed-Loop Factory“, in der verschiedenste End-of-Life-Produkte aus fossilem Erdöl als Basismaterial für neue Produkte aufbereitet werden, um aus einer alten Barbie eine neue Barbie machen zu können. Die Factory ist das erste große Investitionsprojekt der Firma, die vor drei Jahren von acht Leuten gegründet wurde und für eine außergewöhnliche Idee von circular Economy steht. Die Erkenntnis, dass Nachhaltigkeit ist ein Umsetzungsproblem ist, führt zum ambitionierten Ziel, die lineare Materialwirtschaft zugunsten einer zirkulären Wirtschaft umzubauen.
Zur feierlichen Eröffnung hat sich neben MP Kretschmer ein sehr gemischtes und für hiesige Verhältnisse nahezu heterogenes Publikum eingefunden – Studierende Anfang 20, Anzugträger um die 60, Pressevertreter:innen aus dem gesamten Mitteldeutschen Raum; und ein für wachstumsorientierte Startups recht hohe Quote nicht-männlicher Teilnehmender von einem guten Drittel. In der Hand halten viele die Erfrischungen des Tages: „Weichmacher“ genannte Cocktails wie Holy Rapberry, mit Kräutern und selbstgemachtem Sirup. Daneben steht ein Tisch mit hübschen Schnittchen, die auf bunt-changierenden Recycling-Plastikplatten angeordnet wurden. Bevor die Produktentwicklungsexpertin Dorothee Wendler dem Ministerpräsidenten einzelne Stationen des Technikums eindrucksvoll demonstriert, spricht Fridolin Pflüger aus dem Gründer:innenteam mit Begeisterung über die Arbeit mit der Kernzielgruppe: Internationale Konzerne – was sonst! Denn das Ziel ist es nicht, das nächste Nischenprodukt aus Recyclingmaterial herzustellen, sondern einen größeren Impact zu generieren. Von Bosch Powertools über Mattell und Nuk zieht sich die Liste von bislang 35 teilweise geheimen Konzernnamen aus elf Ländern, die seit der Gründung als Kundschaft akquiriert worden sind. Aktuellstes Projekt ist die Arbeit an einem neuen Lamy-Füller. Für derartige Branchenriesen bietet HolyPoly ein Full-Service-Angebot für die Umstellung ihrer industriellen Lieferketten. Die HolyPoly Expert:innen beraten Global Player bei der Konzeption und Umsetzung von Recyclingprozessen von Markenprodukten, entwickeln tragfähige Geschäftsmodelle für die Kreislaufwirtschaft, führen Materialstudien an Plastikprodukten durch und leiten unternehmerische Innovationsprozesse hin zum Ziel, Materialkreisläufe dauerhaft zu schließen. Die Nachfrage von Unternehmen weltweit ist hoch, die Wirtschaftlichkeit auch. Einer der Tricks von holypoly ist es, die Trägheit großer Konzerne mit der eigenen Leistungs- und Anpassungsfähigkeit zu überwinden und selbst schneller und smarter werden! Darum geht’s auch in der Factory: stabile Technologien und Maschinen, die ohnehin in Sachsen vorhanden sind, kreativ und schlau zu kombinieren, um einen geschlossenen Kreislauf herzustellen – das ist die Königsdisziplin.
Frido lacht viel und erklärt in dem souverän-lässigem Ton, der das Projekt so charmant macht, nicht nur Interessantes über die Kund:innen, Investitionen und Zukunftspläne, sondern über die kulturelle Dimension des Unternehmens: den ungeheuren Wert des fantastischen Teams aus allen denkbaren Disziplinen: fast 60 Menschen, davon 26 fest angestellt. „Das Verrückte ist: Wir sind die Einzigen auf der Welt, die das machen. Der Grund warum wir so weit gekommen sind, ist unser Team. Egal wie groß die Herausforderung ist, Lösung finden, Humor nicht verlieren und die Qualität feiern.“ Applaus. Er nennt es einen „Moment zum Zwischenfreuen“ auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft. Die Herzen fliegen ihm zu – und das wünschen wir HolyPoly auch für die kommende Investmentrunde ab dem 14.11.2023: hier könnt ihr auch kleine Beträge ab 100 Euro in die HolyPoly Mission investieren.
Zum Schluss darf der Ministerpräsident von Sachsen Granulat aus Plastikmüll mit einer kleinen Schaufel in einen Trichter einfüllen. Nach ein paar Minuten rattern spuckt die Maschine wunderschön marmorierte Klemmbausteine aus. Sichtlich beeindruckt von dieser Demonstration verspricht Herr Kretschmer eine Beteiligung von mindestens 100 Euro am Crowdinvesting und äußert dazu den dringenden Wunsch, das Prinzip der Kreislaufwirtschaft mehr zur Basis des Wirtschaftens zu machen, in Kreisläufen zu denken, um technologischen Wandel und Klimaneutralität möglich zu machen.