Vater werden ist nicht schwer? Nun ja, das dürften die drei Gründer der Suburban Seafood GmbH ein wenig anders sehen. Das Team widmet sich im sorbischen Nebelschütz der nachhaltigen und artgerechten Vermehrung und Aufzucht der Weißbeingarnele, besser bekannt als Shrimp. Mit Friedrich Tietze (Ingenieur für Wasserwirtschaft), Felix Kirsten (Biotechnologe) und Roman Schwarz (Wirtschaftsingenieur) hat sich in einer ehemaligen Schweinemastanlage ein hochmotiviertes, interdisziplinäres Team gefunden, das sich einem Geschäftsmodell rund um des Deutschen zweitliebste Meeresfrucht verschrieben hat. Um zu erfahren, wie das passieren konnte, lest ihr am besten direkt weiter.
Worum geht es bei eurer Geschäftsidee?
Die Suburban Seafood GmbH bietet Produkte und Services rund um das Thema Weißbeingarnelen an. Produkte, wenn man das so sagen möchte, sind die Garnelenlarven, die sogenannte Besatztiere, die wir an Garnelenfarmen in Europa liefern. Hier haben wir zwei Baustellen. Einerseits mussten wir die Elterntiere dazu bringen, sich zu paaren. Das wird in den Regionen der USA und Asien, in denen die Besatztiere bisher gezüchtet werden, nur unter größten Strapazen für die Tiere erwirkt. Dies ist ins mittlerweile gelungen und die Elterntiere paaren sich regelmäßig. Außerdem arbeiten wir an der Verbesserung der Survivalrate, die z.B. auch durch den Stress auf langen Transporten, beeinflusst wird.
Unsere Services für die marine Aquakultur bieten wir unseren Kunden direkt vor Ort an. Wir liefern die Larven oft persönlich und helfen dann in den Aufzuchtstationen konkret dabei, die Umgebung zu optimieren, damit aus den Larven bald gesunde und kräftige Garnelen werden. Wir haben es uns auf die Fahne geschrieben, den Tieren sehr gute Bedingungen zu schaffen und die Nachzucht auch außerhalb der USA oder Asien artgerecht überhaupt möglich zu machen.
Wie entstand die Idee und wann habt ihr entschieden, sie auch umzusetzen?
Friedrichs Herz schlägt schon lange für die Garnele. In der Binnenmeeresfischzucht im saarländischen Völklingen, wo er 2013 seine Diplomarbeit schrieb, zog er im Rahmen einer Studienarbeit einen Batch an Garnelen groß. In diesem Zusammenhang kostete Friedrich erstmals „never frozen“ Garnelen und war begeistert. Er entwickelte ein System, in dem – nahezu „cradle to cradle“ – der Kreislauf des Lebens der Garnele abgebildet wurde. Das, was das Tier zu sich nimmt, kommt ja auch postwendend wieder raus. Ein Biofilter sorgt für die Aufbereitung des Wassers und so kann grundsätzlich alles in diesem Mikrokosmos verbleiben. Die Idee, dieses Projekt in einem EXIST Gründerstipendium weiterzuspinnen, kam dann einige Jahre später. Das Team fand sich 2017 in seiner jetzigen Konstellation, bestehend aus Friedrich, Roman und Felix, zusammen und könnte optimaler kaum besetzt sein. Unsere Kompetenzen ergänzen sich perfekt. Dass dann tatsächlich die Zusage zum Gründerstipendium kam, konnten wir dennoch kaum glauben. Im März 2018 ging es dann so richtig los und wir starteten durch.
Was waren die drei größten Herausforderungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit und wie habt ihr sie bewältigt?
Zunächst war die Grundsatzentscheidung: „Gründen oder nicht gründen?“ in unserem Team eine ganz entscheidende Frage. Ich [Roman] war zum Beispiel war als Gründungs- und Unternehmensberater selbständig und hatte gerade eine Familie gegründet. Team und Idee begeisterten mich aber so sehr, dass ich mich entschloss, einzusteigen und am Antrag für das EXIST Gründerstipendium mitschrieb. Meine Familie steht bis heute hinter mir und unterstützt mich, wo sie kann.
Dann war von Anfang an der Druck der Anschlussfinanzierung da. 30.000 € Sachmittel aus dem erfolgreich eingeworbenen EXIST Gründerstipendium waren wirklich toll und sehr hilfreich. Im Prinzip stellten sie aber für uns den Startschuss für die Suche nach einem Investor dar, da sie für das erklärte Ziel des Antrags bei Weitem nicht ausreichten. Bereits bevor das Projekt anlief, tingelten wir über die nationalen und internationalen Pitchbühnen. Zunächst ohne Erfolg. Im März 2018 startete unsere EXIST-Förderung. Im April 2018 standen wir beim Investorentag von dresden|exists und SAXEED auf der Bühne und fanden unseren Investor! Bereits im September stand die erste Finanzierungsrunde und die Garnelen durften schwimmen.
Tja, und als dritte Herausforderung würden wir unsere sehr speziellen Bedingungen beim Markteintritt bezeichnen. Oft suchen Startups ihre Nische, ihren Markt. Den hatten wir von Anfang an klar definiert und auch angesprochen. Die Nachfrage war da. Es ist an uns, das Angebot, nämlich die Larven, mit optimalen Bedingungen auszustatten, damit die Mortalitätsrate sinkt und wir Lieferwünsche erfüllen können. Wir forschen jeden Tag weiter und gewinnen weitreichende Erkenntnisse. So wissen wir heute zum Beispiel, dass Erfolg oder nicht Erfolg eines Batches schon viel früher, nämlich bei den Elterntieren, beginnt.
Was macht euch besonders stolz bzw. was waren bisher eure größten Erfolge?
Rein fachlich gesehen, sind wir stolz auf unsere Anlage, die wir weitestgehend mit unserer eigenen Hände Arbeit erschaffen haben. Von der Schweinemast zur nachhaltigen, artgerechten Shrimpzucht. Das ist auch rückblickend noch immer eine Hausnummer für uns. Und auch wenn man das Schwein nicht mehr riecht, so ist es doch noch ganz nahe. Wir sind außerdem stolz, dass wir mittlerweile eine absolute Regelmäßigkeit der Paarungserfolge verzeichnen dürfen. Das schreiben wir unserer stetigen Forschungstätigkeit an Nährlösungen, der Umgebung und weiteren Parametern zu, unserer Akribie an Dokumentation und dem starken Willen, das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Fachlich können wir aber nur gut sein, weil wir auf unser Team setzen. Deshalb sind wir stolz, dass es uns gibt, wie es uns gibt. Jeder leistet seinen fachlichen Beitrag. Jeden Tag und mit vollem Einsatz. Dass hier noch die glücklichen Umstände dazukommen, dass wir alle so gern Dinge selbst anpacken und erschaffen, eint uns umso mehr. Jeder von uns ist jede Minute bereit, die eigene Komfortzone zu verlassen. Und das müssen wir wirklich oft. Unsere Angestellten stecken wir direkt mit diesem Mindset, genau dieser DANN, an.
Welche Unterstützung hat euch in der Gründungsphase geholfen?
Ganz wichtig und direkt als erstes möchten wir hier unsere Familien und Freunde erwähnen. Ohne deren Rückhalt und das Gefühl, dass es ok ist, dass wir uns auf diese Reise Startup begeben, wären wir heute nicht (mehr) hier. Ohne das große Glück des EXIST Gründerstipendiums hätten wir nicht so schnell soweit kommen können. Der Luxus, ein Jahr lang in einem recht geschützten Raum forschen und entwickeln zu können, hat uns so viele Möglichkeiten geschaffen. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit im Zusammenhang hat uns die TU Dresden mit dresden|exists gerade in der Antragsphase und darüber hinaus sehr stark unterstützt. Von Anfang an mit dabei waren die Partner von AEVUM Venture, ein Familien-Quartett, welches seit Stunde Null an uns glaubt und uns unter anderem mit Thomas Zschornack, dem Bürgermeister von Nebelschütz zusammengebracht hat. Ohne diesen wiederum wäre eine Immobilie, wie wir sie jetzt im umgebauten Schweinestall von Nebelschütz haben, für uns unter dem Radar geblieben.
Welche Faktoren sind aus eurer Sicht für den Erfolg einer Existenzgründung wichtig?
Team, Team, Team. Es mag abgedroschen klingen, aber es ist so. Ohne ein hochmotiviertes Team wird aus der spannendsten Geschäftsidee nichts. Oder zumindest nicht das, was daraus werden könnte. Jeder sollte sich auf den anderen verlassen können. Fehler müssen gemacht werden dürfen. Natürlich sollten sie reflektiert und aufgearbeitet werden, aber sie müssen passieren dürfen. Und ja, das Produkt ist sicher auch nicht ganz unwichtig (lachen).
Wo seht ihr euer Unternehmen in fünf Jahren?
Für uns und unseren Standort in Nebelschütz wünschen wir uns, dass sich hier ein lebhafter Entwicklungsstandort entwickelt mit einem stabilen Netzwerk an relevanten Zulieferern und weiteren B2B-Partnern rund um die Garnele von Suburban Seafood. Nebelschütz steht für uns generell für den ländlichen Raum und wir wünschen uns, dass wir hier eine Modellregion schaffen, an der sich andere ausrichten.
Wir werden unser hohes Qualitätsversprechen halten und gesunde Larven aus nachhaltigem Anbau an unsere Kunden liefern. Die aktuell 800 qm an ausgebauter Fläche werden wir in fünf Jahren verdoppelt haben, dementsprechend mehr produzieren. Und es wird eine eigene Suburban Seafood Mastgarnele für den Endkunden geben.