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Gründerportrait #85: herone – Carbonteile neu gedacht

Christan Garthaus und Daniel Barfuß sind die Ideengeber der herone GmbH. Gemeinsam mit Alexander Rohkamm sind sie Co-Founder und Geschäftsführer des Startups aus dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden. Vom Weg zur Gründung der herone GmbH 2019 und was die Zukunft für das bisher organisch wachsende Unternehmen bringen soll, davon berichten die drei Gründer und Madlin Stöß (HR und Finance) im Interview.

Gründerteam
Ein Grund zu Feiern: Dr. Christian Garthaus, Daniel Barfuss und Alexander Rohkamm nach der Gründung der herone GmbH im Mai 2019 (Foto: herone GmbH)

Worum geht es bei eurer Geschäftsidee?

Mit herone sind wir angetreten, die Herstellung von Verbundprofilen zu revolutionieren. Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe, auch als Carbon bekannt, sind mittlerweile Stand der Technik, v.a. in der Luft- und Raumfahrttechnik, wo jedes Gramm entscheidet. Die Prozessschritte in der Fertigung sind allerdings bis heute sehr handarbeitslastig und damit sehr zeitaufwändig. Uns ist es gelungen, mit unserer Technologie diese Zeitaufwände auf ein Zehntel zu reduzieren.

In einem ersten automatisierten Prozess wird das Rohteil mit der Flechttechnik hergestellt. Im zweiten Pressprozess werden mittels unserer Technologie das finale Bauteil gepresst und dabei zusätzliche Funktionen direkt in das Bauteil integriert. Ermöglicht wird der Prozessschritt durch ein alternatives Materialsystem, dass Carbon-Bauteile schweißbar und umformbar macht. Damit punkten wir bei unseren Kunden in mehrfacher Hinsicht. Einerseits können wir die Kostenersparnis aus Produktionszeit, Montage und reduzierter Lagerzeit weitergeben, andererseits bieten wir durch die Integration der Funktionen Gewichtseinsparung bei gesteigerter Robustheit und damit Bauteilsicherheit. Der Kunde bekommt bei uns höchste individuell angepasste Leistungsfähigkeit aus einer automatisierten Fertigung. Das ermöglicht es uns Lösungen für Anwendungen auch außerhalb der Luft- und Raumfahrt anzubieten. So arbeiten wir beispielsweise an Wasserstofftanks für die Automobilindustrie, Komponenten für Flugtaxis und Prothesen für medizinische Anwendungen.

Einen Eindruck von ihrer Technologie könnt ihr im Video auf dem YouTube-Kanal von futureSAX bekommen.

Wie entstand die Idee und wann habt ihr entschieden, sie auch umzusetzen?

Das ist ein recht klassischer Weg aus der Universität heraus. Christian war bereits 2008 in ein Projekt der Luftfahrtforschung am Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden eingebunden. Es sollten metallische Rohrleitungen durch Carbon ersetzt werden. In dem Projekt ist der Grundstein der heutigen herone Technologie gelegt worden. Nach dem Aufbau einer Forschungsgruppe, sechs weiteren Jahren Forschung und engen Kooperationen mit Industriepartnern stellte sich die Frage Kommerzialisierung der Technologie. Mit der Entscheidung die Technologie selber an den Markt zu bringen, musste natürlich alles ganz schnell gehen. Uns ist es gemeinsam mit Marco von dresden|exists gelungen, in Rekordzeit einen Antrag für EXIST Forschungstransfer zu schreiben. Die Zusage für dieses Programm war für uns der Startschuss, die Idee tatsächlich umzusetzen.

drei Profile aus Faserverbundwerkstoffen
Leicht und leistungstark: die Carbon-Profile von herone
Foto: herone GmbH

Was waren die drei größten Herausforderungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit und wie habt ihr sie bewältigt?

Es ist tatsächlich schwierig, sich hier im Kreise unserer vier Köpfe auf nur drei Herausforderungen zu einigen. Aber wir versuchen es gern.

Es ist immer wieder eine Herausforderung, Themen richtig zu priorisieren. Es fällt uns teils schwer einzuschätzen: ist das jetzt wirklich wichtig? Es ploppen links und rechts Themen auf, denen wir uns in Projekten oder auch im EXIST Forschungstransfer nie stellen mussten. Von Arbeitssicherheit, über Finanzierung bis zur Zertifizierung ist da tatsächlich alles dabei. Wir haben an dieser Stelle gelernt, zu delegieren und uns nicht mit jedem Problem oder Thema bis ins Detail selbst zu befassen.

Dann die Geschwindigkeit! Wir mussten uns erst einmal damit anfreunden, uns mit halbfertigen Ergebnissen oder Lösungen abzufinden. Das fällt uns bis heute schwer. Hier fahren wir – und das müssen wir, um Schritt halten zu können – das Motto 80/20. Bis jetzt läuft das gut und es macht immer noch Spaß!

Wir, Christian und Daniel, sind als Ideengeber zwei stark gestaltende Persönlichkeiten, die gern auch mit unterschiedlichen Meinungen aufeinandertreffen. Es fällt uns tatsächlich oft schwer, im täglichen Geschäft auf einen Konsens zu kommen. Es sind zum Teil Kleinigkeiten, an denen wir uns aufhalten und festbeißen. Alex ist da oft das Zünglein an der Waage und unser ausgleichendes Moment. Er entscheidet dann teils für uns. Und mit Logik hat er uns noch immer gekriegt.

Was macht euch besonders stolz bzw. was waren bisher eure größten Erfolge?

Zuerst einmal sind wir stolz auf unser Team. Wir sind mittlerweile zu zwölft. Ein internationales Team mit allen Kompetenzen aus Leichtbau und der Luft- und Raumfahrt, die wir für das Tagesgeschäft inklusive Wachstum für die nächste Distanz brauchen.

Außerdem macht es uns wirklich stolz, dass wir quasi von Tag 1 an ein rentables Unternehmen sind. Das war und ist unser Credo, dass wir uns nicht komplett von Finanzierungen und Investoren abhängig machen. Wir wollten immer durch das, was wir tun, Umsätze erwirtschaften und gesund wachsen. Bisher gelingt uns das wirklich gut.

Als größten Erfolg bisher würden wir den JEC Innovation Award bezeichnen, der uns im Rahmen der JEC World 2019* von Bertrand Piccard** in der Kategorie Aerospace Application überreicht worden ist. Das ist eine große Ehre und spornt uns weiter an, die Challenges zu meistern, die noch auf uns warten.

Welche Unterstützung hat euch in der Gründungsphase geholfen?

Auf jeden Fall der Forschungstransfer aus dem EXIST Programm. Ohne die Mittel für Personal, Sachmittel und Coaching hätten wir eine harte Anlaufphase durchlebt. Wir durften dresden|exists in der Antragsphase als echten Sparringspartner erleben. Der Zeitplan war, gelinde gesagt, recht eng, um die Deadline für das Programm zu halten. Wir haben es dennoch gemeinsam gemeistert, auch wenn es (nicht nur) uns so manche schlaflose Nacht eingebrockt hat. Knackige Iterationen und konstruktives Feedback haben das Papier rund gemacht und zum Erfolg geführt.

Weiterhin hat uns die enge Anbindung und der Kooperationsvertrag mit dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik wirklich sehr geholfen. Die sehr fairen Konditionen für die Nutzung der Anlagen und Räumlichkeiten als Startup aus den eigenen Reihen wissen wir definitiv zu schätzen, besonders jetzt, wo wir demnächst ausziehen und diese Umstände nicht mehr nutzen können.

Der bislang größte Coup ist uns mit dem Einwerben des KETs-Pilotlinien Programms der Sächsischen Aufbaubank gelungen. Die Mittel aus diesem (leider nicht mehr existenten) Programm bescheren uns einen sanften Start raus aus dem Forschungstransfer und rein ins echte Unternehmerleben. Es erlaubt uns, neben den Einnahmen aus dem laufenden Betrieb weiter in Forschung und in Entwicklung zu investieren, so dass unser Vorankommen nicht zu 100 Prozent von unseren Umsätzen oder externen Investoren abhängt. So können wir schon bald mit neuen Technologien und Produkten punkten.

Welche Faktoren sind aus eurer Sicht für den Erfolg einer Existenzgründung wichtig?

Hier können wir aus unserer Situation heraus und den Fehlern, aus denen wir im Laufe unseres Unternehmerdaseins lernen durften, ganz klare Apelle weitergeben.

Sorge dafür, dass Patente und andere IP bei dir bleiben. Wenn ihr die Uni oder andere Institute im Boot habt, sorgt frühzeitig dafür, dass es eine geklärte Transfersituation gibt. Sichert euch gegenüber euren Kunden mit Kooperations- oder Lizenzverträgen ab.

Schafft Strukturen im Unternehmen und zieht zu gegebener Zeit Zwischendecken ein. Lernt frühzeitig zu delegieren und Arbeit auch wirklich abzugeben. Vertraut euren Mitgründern (das sowieso!) und Mitarbeitern, dass sie die übertragenen Aufgaben auch tun.

Sucht euch einen Mentor, der einerseits fachlich aber –ganz wichtig  – auch unternehmerisch weiterhilft.

Wo seht ihr euer Unternehmen in fünf Jahren?

In fünf Jahren sind unsere Bauteile in den Boeings und Airbus dieser Welt Standard, wir sind ein etabliertes Unternehmen der Branche. herone wird weiterhin wachsen, wir werden mit 25 bis 30 Mitarbeitern in unseren Werksgebäuden in Dresden weiter Maßstäbe und Standards setzen. Wir werden weiter forschen, entwickeln, optimieren und individualisieren. Soweit der Plan!

* größte internationale Messe für Verbundwerkstoffe

** umkreiste als erster Mensch die Erde in einem Ballon und in einem Solarflugzeug

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