Jacob Mendt und Matthias Müller haben 2018 PIKOBYTES gegründet. Das junge Unternehmen recherchiert und erfasst Umweltdaten, sammelt und analysiert sie in leistungsfähigen Datenbanken und erstellt interaktive Karten. Die beiden Gründer haben es sich auf die Fahne geschrieben, einen digitalen Zwilling der Erde zu entwickeln. Wie die Idee entstanden ist und wo das junge Unternehmen heute steht, darüber berichten die Gründer im Interview.
Worum geht es bei Eurer Geschäftsidee?
Wir sehen uns als Fullservice Anbieter für Umweltdaten. PIKOBYTES hat einen ganzheitlichen Prozess für die Datenaufnahme, das Environmental Data Management und die Analytik der gesammelten Daten entwickelt. Warum tun wir das? Uns ist ein besseres Verständnis der Umwelt wichtig und dafür müssen wir die vorhandenen Daten viel konsequenter und besser nutzen als bisher. Diese findet man bei Behörden und Institutionen, die zum Sammeln von Daten per Gesetz oder Richtlinie verpflichtet sind. Oder bei Crowdsourcing-Initiativen, die aus ganz unterschiedlichen Interessenlagen Umweltdaten sammeln. Aber auch Unternehmen häufen im Rahmen ihrer täglichen Arbeit ganze Datenberge an. Wer diese Daten für eigene Zwecke nutzen will, weiß häufig gar nicht, dass es sie gibt, kann sie nicht finden und am Ende nur mit erheblichem technischen Hintergrundwissen zusammenführen und auswerten.
Wie darf ich mir das konkret vorstellen? Wie sieht Euer klassischer Kunde aus?
DEN klassischen Kunden haben wir gar nicht. Wir sind zum Teil selbst überrascht, aus welchen Bereichen und Branchen Kunden auf uns zukommen. Wir können es aber einmal am Prozess festmachen. Der Kunde möchte zum Beispiel wissen, wo und wie stark es in einer bestimmten Region regnet oder welche Standorte von Sommerhitze besonders stark betroffen sind ist. Dann machen wir uns an die Bestandsaufnahme und finden heraus, welche Daten bereits da sind. Zuerst untersuchen wir, welche Messstellen und Daten es von öffentlicher Seite gibt. Sieht es dort schlecht oder zumindest dünn aus, prüfen wir, inwieweit es bereits Sensoren gibt, die uns da weiterhelfen können und unterstützen die Auslegung des Messnetzes. Haben wir eine belastbare Datenmenge gesammelt, bereiten wir diese für den Kunden nachvollziehbar auf und analysieren sie nach seinen Kriterien für ihn.
Wie entstand die Idee und wann habt ihr entschieden, sie auch umzusetzen?
Wenn man es so will, wird die Idee dazu dieses Jahr bereits 10 Jahre alt. Damals waren wir beide an der Professur für Geoinformatik angestellt und beschäftigten uns mit dem Thema: Bereitstellung von öffentlichen Umweltdaten. Das fanden wir schon 2010 sehr spannend. 2013 trafen wir uns dann auf der FOSS4G in Nottingham. Das ist eine Konferenz, die seit 2006 von der Open Source Geospatial Foundation (OSGeo), einer gemeinnützigen Organisation aus den Vereinigten Staaten, ausgerichtet wird und sich für die Entwicklung und Nutzung von freien und quelloffenen Geoinformationssystemen (GIS) stark macht. Also genau unsere Baustelle. Fazit insbesondere der Vorträge auf der Konferenz: es gibt unendlich viele Messpunkte, die wahnsinnig viele Daten sammeln und bereitstellen. Und keiner (!!!) bringt diese Daten mal vernünftig zusammen.
Wir gingen mit dieser Erkenntnis noch einige Zeit schwanger, bis wir uns entschieden, mit einem EXIST-Gründerstipendium im Rücken aus dieser Begeisterung heraus ins Tun zu kommen. Dieses haben wir dann 2017 auch bekommen und widmeten uns von April 2017 bis März 2018 unserer Idee.
Was waren die drei größten Herausforderungen auf dem Weg in die Selbstständigkeit und wie habt ihr sie bewältigt?
Das waren sicher mehr als drei, aber wir konzentrieren uns gern mal auf die größten drei. Wir sahen uns kurz nach der Gründung der Situation gegenüber, dass einer unserer Mitgründer PIKOBYTES verlassen wollte. Wie wir jetzt wissen, ist das Teamthema eines der häufigsten überhaupt und immer wieder gibt es Zerrüttungen und Zerwürfnisse, die böse enden. Rückblickend hat das bei uns aber echt gut funktioniert und wir sind dankbar, dass wir eine für alle Seiten faire Regelung gefunden haben. Wir haben die Aufgaben unter uns beiden gut aufgeteilt und konnten so den Weggang recht gut kompensieren. Menschlich war das sicher eine der größten Herausforderungen.
Was sich für uns bis heute immer wieder als Gratwanderung gestaltet ist der Punkt zu entscheiden: Haben wir eine so stabile und ausgelastete Auftragslage und den entsprechenden Umsatz, dass wir neues Personal brauchen? Oder schaffen wir es noch mit den vorhandenen Ressourcen? Wie viel können wir unseren Mitarbeitern zumuten? Bisher ist uns dieser Spagat recht gut gelungen, da wir nicht so explosionsartig wachsen.
Was uns beiden außerdem zu schaffen machte, war es, den Zeitpunkt herauszufinden, als wir aus dem reinen operativen Tun heraus ins strategische Management hineinwuchsen. Zu erkennen, wann es notwendig ist, Zwischendecken einzuziehen, Projekte nicht mehr von Anfang bis Ende selbst zu bearbeiten, sondern auch einmal Arbeit abzugeben und zu delegieren. Das war herausfordernd. Denn eigentlich macht uns das operative Geschäft so viel Spaß!
Was macht euch besonders stolz bzw. was waren bisher eure größten Erfolge?
Wir haben 2018 gegründet. Mittlerweile sind wir in unserem Team zu siebent. Wir haben aktuell 13 Kunden mit einem Spektrum so breit wie die Geoinformatik an sich und wir gehen auch in völlig andere Bereiche rein, weil das Thema Geoinformationen mittlerweile zum Mainstream geworden ist. Das macht uns stolz. Unsere Kunden kommen mit Folgeaufträgen wieder, sodass wir gemeinsam mit ihnen unsere Projekte qualitativ sowie quantitativ weiterentwickeln.
Das, womit wir zum Beginn unserer Selbstständigkeit angetreten sind, macht uns – nach einigen Schleifen im Geschäftsmodell – noch immer riesigen Spaß. Wir haben das große Glück, dass genau dieser Spaß das Erwartungsbild des Kunden absolut erfüllt. Ein optimales Verhältnis und gleichzeitig größter Ansporn, genau so weiter zu machen. Wir haben uns quasi den Arbeitgeber selbst geschaffen, den wir nach dem Studium vergeblich in Dresden gesucht haben. Weggehen war für uns damals keine Option, also haben wir es einfach selbst gemacht.
Welche Unterstützung hat euch in der Gründungsphase geholfen?
Ganz klar EXIST. Wir erinnern uns gern an die angenehme Zusammenarbeit mit dresden|exists in der Antragsphase und besonders an die grundpositive Einstellung zu unserem Projekt mit Sensor Hub, aus dem nun PIKOBYTES hervorgegangen ist. Ihr habt immer einen konstruktiven Blick auf unser Geschäftsmodell geworfen, es dabei auch regelmäßig zerpflückt. Aber auch beim Zusammenbauen habt ihr uns unterstützt und so manchen hilfreichen Tipp gegeben.
Beim Thema Vertrieb und Kundenansprache war uns die Vertriebsschule von Anthony Steffan eine große Unterstützung. Hier haben wir gelernt, wie es gelingen kann, ohne große Scheu unsere Kunden herauszufinden und dann ganz konkret den Kontakt aufzunehmen. Außerdem war uns die IHK Dresden, hier insbesondere Marcus Dämmig vom Gründerservice der Kammer, sehr behilflich.
Welche Faktoren sind aus eurer Sicht für den Erfolg einer Existenzgründung wichtig?
Da fallen uns einige ein. Als erstes ganz direkt: Du bist der Kapitän! Es ist deine Reise, auf die du dich begibst. Behalte das Steuer fest im Griff und vergiss im Tagesgeschäft nie, wo du hin willst.
Verlasse dich nicht auf Förderprogramme! Ja, sie erleichtern den Start. Aber kümmere dich selbst darum, dass du finanziert bist!
Lerne deine Region und lokale Unternehmen kennen! Hier findest du wichtige Partner für den Austausch und Verbundprojekte!
Konzentriere dich von Anfang an auf deine (potenziellen) Kunden! Beachte dabei den Trichter! Wenn Du 40 Kunden angesprochen hast, gelingt es mit viel Glück, mit 10 davon Gespräche zu führen, wovon sich dann einer für ein gemeinsames Projekt entscheidet. Vielleicht!
Wo seht ihr euer Unternehmen in fünf Jahren?
Lass uns über unser Unternehmen in 10 Jahren sprechen. Langfristig wollen wir PIKOBYTES zu einer Analytics- und Daten-Cloud für Umweltinformationen weiterentwickeln. Sozusagen das Google für Umweltdaten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und wir kennen nicht wenige Unternehmen, die auf einem ähnlichen Weg gescheitert sind.
In fünf Jahren soll PIKOBYTES auf jeden Fall ein etablierter Name im Bereich Environmental Internet of Things sein und gute Explorationssysteme für Umweltinformationen liefern. Wir wollen unsere Mitarbeiterzahl und unseren Umsatz weiter erhöhen, das richtige Team für unsere 10-Jahres-Vision aufbauen und dafür immer wieder an der Grenze des technisch Möglichen arbeiten. Und all das mit jeder Menge Spaß am Tun fortsetzen.
Apropos Spaß, das hat Spaß gemacht! Vielen Dank für das angenehme Interview und den interessanten Blick hinter die Kulissen eures jungen Unternehmen!