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Startups in der COVID-19-Krise – Staats­hilfen auf dem Prüfstand

Wie dra­ma­tisch die aktuelle Krise für Startups in Dresden, Deutschland und der Welt lang­fristig werden wird, kann heute noch niemand abschätzen. Wir sind aktuell ganz nah dran und stehen im stän­digen Kontakt mit unseren Teams und Alumni. Wir tele­fo­nieren und schreiben täglich, helfen mit Rat und Tat, wo wir können und gewinnen so einen span­nenden Über­blick über die Ent­wick­lungen in den ein­zelnen Unter­nehmen und per­sön­liche Situa­tionen der Grün­de­rinnen und Gründer.

Glücklich, dass in Sachsen bereits nach kurzer Zeit Pro­gramme auf­gelegt oder umge­setzt wurden, begannen wir, unsere Teams darüber zu infor­mieren, was sie wo bean­tragen können. Doch schon bald setzte die Ernüch­terung ein. Die Zuschüsse und Hilfs­pro­gramme greifen nur bedingt. Einige wurden nach­ge­bessert, bei anderen hat ein klas­si­sches Startup nach wie vor keine Chance auf Antrag­stellung, geschweige denn Bewil­ligung.
Mit Ute Zesewitz, Refe­rentin für Finan­zierung und För­derung bei der IHK Dresden, setzen wir heute die Startup-Brille auf. Gemeinsam prüfen wir, welche Chancen und Her­aus­for­de­rungen sich aus den aktu­ellen Pro­grammen spe­ziell für junge, inno­vative Unter­nehmen ergeben.

Ute Zesewitz und Sandra Hübener sprechen über die Staatshilfen in der COVID-19-Krise (Fotos: IHK Dresden, dresden|exists)
Ute Zesewitz und Sandra Hübener sprechen über die Staats­hilfen in der COVID-19-Krise (Fotos: IHK Dresden, dresden|exists)

Sandra Hübener: Liebe Frau Zesewitz, ich habe in den letzten Wochen sicherlich mit 50 unserer Grün­dungs­teams und Alumni gesprochen. Es herrscht all­gemein große Unsi­cherheit, gegen die wir sicher nur bedingt etwas tun können. Aber lassen Sie uns zumindest ver­suchen, etwas Licht ins Dunkel der zahl­reichen Hilfs­pro­gramme zu bringen.

Einige Teams haben gerade ihre erste oder zweite Finan­zie­rungs­runde durch­laufen, haben also gerade fri­sches Geld von Inves­toren erhalten. Muss dieses Geld zunächst auf­ge­braucht werden, bevor über die Bean­tragung von staat­lichen Hilfen nach­ge­dacht werden kann?

Ute Zesewitz: Diese Sorge kann ich direkt zer­streuen. Grundlage für die Bean­tragung sind die vor­aus­sicht­lichen Eng­pässe auf­grund der feh­lenden Ein­nahmen für vier Monate bei der Bean­tragung des säch­si­schen Sofort­hilfe-Dar­lehens bzw. für drei Monate für das Zuschuss­pro­gramm des Bundes. Es geht hier um die Sicherung der Liqui­dität, die ein Unter­nehmen hand­lungs­fähig macht. Vor Monaten ver­han­delte Finan­zie­rungs­runden, die nun abge­schlossen und aus­ge­zahlt werden, spielen hier nicht mit hinein. Inves­to­ren­gelder sollen nicht das Über­leben des Startups in der aktu­ellen Situation sichern, sondern dazu bei­tragen, das Startup vor­an­zu­bringen und den Turbo zu zünden. Wir können an dieser Stelle von einer quasi Zweck­ge­bun­denheit des Kapi­tal­ein­satzes sprechen. Startups haben ihren Inves­toren gegenüber eine gewisse Ver­ant­wortung, die Mittel auch ent­spre­chend einzusetzen.

Die auf­ge­setzten Pro­gramme sind aus­drücklich an KMU mit einer bestimmten Mit­ar­bei­terzahl gerichtet. Gestaffelt bis fünf, zehn und 100 Mit­ar­beiter. In Klammern jeweils: Voll­zeit­äqui­valent. Wie defi­niert sich denn ein Voll­zeit­äqui­valent? Und wie findet sich ein Startup in dieser Berechnung wieder?

Das ist tat­sächlich eine Frage, die immer wieder an uns gerichtet wird. Oft setzt sich ja die Beleg­schaft eines Unter­nehmens aus Voll- und Teil­zeit­be­schäf­tigten, der Geschäfts­füh­re­r­ebene, Mini-Jobbern, Aus­zu­bil­denden und Prak­ti­kan­tInnen zusammen. Da durch­zu­sehen, wer als Voll­zeit­äqui­valent zu zählen ist und wenn ja, mit wie viel Stunden, gestaltet sich als Her­aus­for­derung. Daher haben wir eine Defi­nition und Berech­nungs­hilfe for­mu­liert. Diese finden Unter­nehmen auf der Website der IHK Dresden bei unseren aus­führ­lichen Infor­ma­tionen zur aktu­ellen Situation um COVID-19.

Im Internet aber auch unter unseren Teams wurden Stimmen laut, dass durch die Bean­tragung der staat­lichen Hilfen zur Über­windung der Aus­wir­kungen von COVID-19 das KMU zum „Unter­nehmen in Schwie­rig­keiten“ wird. Das würde wie­derum dazu führen, dass man für viele För­de­rungen und auch die Betei­ligung an For­schungs­ko­ope­ra­tionen nicht mehr antrags­be­rechtigt ist. Das wäre fatal. Ist dem so?

Nein, die Antwort haben Sie bereits in der Fra­ge­stellung for­mu­liert. Der Schlüssel liegt in der Zweck­ge­bun­denheit der aus­ge­ge­benen Mittel. „Zur Über­windung der Aus­wir­kungen von COVID-19“. Es liegt hier eine Aus­nah­me­si­tuation vor, ver­gleichbar mit den Hoch­wassern der Jahre 2002 und 2013, in denen viele KMU von staat­lichen Unter­stüt­zungen pro­fi­tieren mussten und konnten, ohne in diesen Status zu rutschen.

Viele unserer Startups nutzen gerade bei der Ein­führung neuer Tech­no­logien und Pro­dukte För­der­mittel der Säch­si­schen Auf­baubank. Klas­siker ist hier unter anderem das Pro­gramm „E‑Business“. Oft in Kom­bi­nation mit Per­so­nal­för­de­rungen wie dem Pro­gramm „Inno­Expert“. Beide Pro­gramme unter­liegen De-minimis-Beschrän­kungen, das heißt, es dürfen in drei Kalen­der­jahren maximal 200.000 € bean­tragt werden. Wie verhält es sich nun mit den aktuell zu bean­tra­genden Pro­grammen zur Über­windung der COVID-19-Krise?

Hier konnten wir schnell für Klarheit sorgen. Die För­der­mög­lich­keiten, die ein Unter­nehmen hat, um die aktuelle Situation zu über­winden, unter­liegen nicht der klas­si­schen De-minimis-Regelung. Sie sind den Klein­bei­hilfen zuzu­ordnen. Ange­sichts der pre­kären Situation wurde bereits Ende März eine geson­derte Regelung getroffen, die „Bun­des­re­gelung Klein­bei­hilfen 2020“. § 1 dieser Regelung besagt, dass die Gesamt­summe der einem Unter­nehmen gewährten Klein­bei­hilfen den Höchst­betrag von 800 000 EUR nicht über­steigen darf. För­der­mittel wie das Pro­gramm „E‑Business“ können also neben den Corona-Unter­stüt­zungs­pro­grammen laufen. Dop­pel­för­de­rungen sind aber dennoch aus­ge­schlossen, d. h. die selben Aus­gaben dürfen nicht in zwei Pro­grammen abge­rechnet werden.

Viele Teams stehen gerade an der Schwelle zwi­schen Projekt und Unter­nehmen. Teil­weise werden GmbHs zunächst einmal auf Vorrat gegründet, um hand­lungs­fähig zu sein in punkto Inves­to­ren­be­tei­ligung, Kun­den­ge­winnung etc. Oft wurden noch keine Umsätze gene­riert und den Teams ist teils unklar, ob sie bereits zu den aktiven Unter­nehmen zählen. Zitat aus dem Antrag zum Bun­des­zu­schuss: “Ich (…) erkläre, dass ich wirt­schaftlich und damit dau­erhaft am Markt tätig [bin] (Waren oder Dienst­lei­tungen wurden bereits vor dem 1. Dezember 2019 ange­boten).” Ist eine Bean­tragung für Startups und junge Unter­nehmen damit ausgeschlossen?

Hier wird sich die Säch­sische Auf­baubank den jewei­ligen Ein­zelfall anschauen. Fest steht, Startups und junge Unter­nehmen sind nicht von der Antrag­stellung aus­ge­nommen. Keine Umsätze gene­riert zu haben, heißt ja nicht, dass die Waren und Dienst­lei­tungen nicht dennoch am Markt ange­boten worden sind. Auf einer Unter­neh­mens­website gezeigte Pro­dukte oder Dienst­leis­tungs­an­gebote können ein Indiz für eine wirt­schaft­liche Tätigkeit sein. Und bspw. Kauf­ab­sichts­er­klä­rungen von (Pilot-)Kunden sind hier durchaus auch als Belege ent­gan­gener Umsätze zu sehen. Harter Fakt wird defi­nitiv das Grün­dungs­datum sein. Da wirdman mit der SAB nach aktu­ellem Stand nicht ver­handeln können.

Spannend könnte es am Ende der Laufzeit des jewei­ligen Unter­stüt­zungs­an­gebots werden, wenn die Prüfung der Ein­zel­fälle beginnt. Wir gehen davon aus, dass dies durch die Finanz­ämter über­nommen wird, da hier aus der Natur der Sache die meisten Daten der KMU vor­liegen. Sollte es hier zu Span­nungen oder Unge­reimt­heiten auf­grund feh­lender Zahlen aus der Ver­gan­genheit kommen, wird sich die IHK an dieser Stelle für die Startups und jungen Unter­nehmen stark machen. Wer bei der Antrag­stellung seine Situation glaubhaft dar­ge­stellt hat, sprich alle Angaben und Erklä­rungen in den Doku­menten wahr­heits­gemäß gemacht und auf dieser Grundlage eine Bewil­ligung erhalten hat, sollte in sub­ven­ti­ons­recht­licher Hin­sicht nichts zu befürchten haben.

Zu groß für das Sofort­hilfe-Pro­gramm, die maximal 100.000 € aus dem Dar­le­hens­pro­gramm zu wenig, um über die nächsten Monate zu kommen. Das ist eine bei unseren Startup-Alumni öfter anzu­tref­fende Situation. Da scheinen die KfW-Schnell­kredite wie der Ret­tungs­anker zu sein. Antrags­be­rechtigt sind laut KfW-Website jedoch nur KMU, die in 2019 einen Gewinn aus­weisen konnten. Startups haben typi­scher­weise in den ersten Jahren keine Gewinne, denn sie stecken jeden ver­dienten Euro ins Wachstum. Gibt es hier ein Schlupfloch, bei dem man an Startups gedacht hat?

Leider nein. Die Pro­gramme sind wie beschrieben auf­ge­stellt und aus­zu­legen. Güns­tigere Haf­tungs­frei­stellung für die Hausbank, ver­ein­fachte Prü­fungs­ver­fahren bei der KfW für einen schnel­leren Zugang, ja. Aber dieses Kri­terium ist bisher nicht gelo­ckert worden. Da haben Startups am unteren Ende des Hockey­sticks keine Chance, rein­zu­kommen. Dem ist leider nichts hinzuzufügen.

An dieser Stelle möchte ich darauf aber hin­weisen, dass die KfW so ziemlich jedes ihrer Pro­gramme ange­fasst und auf die spe­zielle Situation ins­be­sondere für KMU opti­miert hat. So ist es zum Bei­spiel jetzt möglich, aus dem KfW-Startgeld 125.000 statt bisher 100.000€ pro Gründer zu bean­tragen, wovon 50.000 statt bisher nur 30.000€ für Betriebs­mittel ein­ge­setzt werden können. Bei 10 Jahren Laufzeit sind wir hier aktuell bei einem Zinssatz von 2,33 Prozent und einer 80 pro­zen­tigen Haf­tungs­frei­stellung für die Hausbank. Wurde das Startgeld bereits vorher schon einmal bean­tragt, kann es nun um die Dif­ferenz erweitert werden, die pro Gründer bis zur Ober­grenze noch offen ist.

Einige unserer Teams sind gerade auf dem Sprung  von der Idee zur Umsetzung und als nächstes käme die for­melle Gründung. Täglich erreichen uns Anfragen von moti­vierten Stu­die­renden oder Absol­venten, die die Zeit genutzt haben und jetzt mit ihrer Idee durch­starten wollen. Was sagen Sie? Gründen oder nicht gründen zum aktu­ellen Zeitpunkt?

Das ist eine Frage, die sich in der heu­tigen Zeit nicht pau­schal mit ja oder nein beant­worten lässt. Grün­dungen in Branchen wie dem Gast- oder Rei­se­ge­werbe würde ich aktuell tat­sächlich nach hinten schieben. Auch wenn hier even­tuell För­der­mittel nicht aus­ge­schöpft werden können. Fragen Sie sich immer: Wie wird die Situation am Ende der För­derung aus­sehen? Und was bringt es mir, dieses Vor­haben in der jet­zigen Situation anzu­gehen? Ver­setzen Sie sich in die Lage von Finan­zie­rungs­partnern, die ja nun einmal nur mit den tat­säch­lichen (Plan-)Zahlen arbeiten können. Stellen Sie eine Finan­zie­rungs­planung auf, die auch Bestand hat und auf Erfolg aus­ge­richtet ist. Sie haben es ja jetzt als Gründer selbst in der Hand. Nehmen Sie Ihr Geschäfts­modell unter die Lupe und prüfen Sie, ob es eine (vor­rü­ber­ge­hende) Anpassung an COVID-19 und damit ein­her­ge­hende Nach­fragen zulässt. Dann kann eine Gründung auch hier und heute erfolg­reich sein.

Welche ganz per­sön­lichen Tipps haben Sie für junge Unter­nehmen und Startups im Hier und Heute?

Bleiben Sie dran! Eigentlich an allem und jedem. An Ihren Kunden, indem Sie ihnen signa­li­sieren, dass Sie noch da sind und wei­ter­machen, gege­be­nen­falls mit einem zeit­weise ange­passten oder schma­leren Geschäfts­modell. An Finan­zie­rungs­partnern, ob das nun die Hausbank oder der Investor ist, sei es, um Zah­lungs­mo­da­li­täten zu regu­lieren (da agieren die meisten Banken aktuell sehr kun­den­freundlich) oder um ins Gespräch zu kommen. Holen Sie sich beim Investor viel­leicht sogar den einen oder anderen guten Tipp ab, welche Chancen er in der Krise für Sie und Ihre Koope­ration sieht. Seien Sie kreativ in der Aus­legung Ihres Geschäfts­mo­dells und prüfen mit wachem Blick, was die Gesell­schaft gerade nach­fragt. Viel­leicht steckt in Ihrer Idee ja eine der Ant­worten darauf.

Liebe Frau Zesewitz, vielen Dank für die klaren Worte und die aus­führ­lichen Infor­ma­tionen. Wir hoffen darauf, dass den Startups der Neu­start nach dieser aus­nahmslos krassen Zeit möglich wird. Ins­be­sondere bauen wir auf den ange­kün­digten Startup-Fonds der Bun­des­re­gierung und darauf, dass die Mittel im Sinne der jungen Inno­va­tiven an den wahren Schmerz­punkten ein­ge­setzt werden. Denn beim klas­si­schen Startup in der Schwung­hol­phase genügt eben nicht das Drücken des Start­knopfs der eta­blierten Maschine und das Zurück­holen der Beleg­schaft aus der Kurz­arbeit (ich über­spitze bewusst).

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