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Grün­der­por­trait #74: hoots – Hightech für Oldtimer

Wer möchte nicht sein Hobby zum Beruf machen. Dr. Henry Kutz und Frank Hermsdorf haben das in ihrem eigenen Unter­nehmen geschafft. Gemeinsam mit dem Infor­ma­tiker Mat­thias Lange grün­deten die beiden Old­timer-Fans 2017 die hoots classic GmbH. Mit ihrem Dia­gno­se­system für klas­sische Fahr­zeuge wollen sie nicht nur den deut­schen Markt erobern. Und die Chancen stehen gut, denn die Inge­nieure scheinen einen echten Schmerz­punkt unter Old­timer-Lieb­habern getroffen zu haben. Wie das System funk­tio­niert und über ihren Weg zum eigenen Unter­nehmen haben wir mit Henry gesprochen.

Hoots Gründer-Team
Das hoots-Team (v.li.):Sandra Hermsdorf, Dr. Henry Kutz, Mat­thias Lange, Frank Hermsdorf (Foto: Torsten Sohrmann)

 

Worum geht es bei eurer Geschäftsidee?

Mit unserem mobilen Dia­gno­se­system für klas­sische Fahr­zeuge, kann man sich ver­schiedene Motor­daten wie Drehzahl, Öldruck oder unter­schied­liche Tem­pe­ra­turen direkt während der Fahrt anzeigen lassen. Das klingt viel­leicht erstmal nicht sehr inno­vativ, da das alle aus ihrem nor­malen Auto kennen. Aller­dings haben die meisten Old­timer keine oder nur alte ungenaue Sen­soren, mit denen man diese Dinge aus­lesen kann. Das führt leider manchmal dazu, dass ein Old­timer während der Fahrt über­be­an­sprucht wird. Der Öldruck bricht plötzlich zusammen oder Motoren über­hitzen, ohne dass man es merkt. Die Folge kann ein defekter Motor sein.

hoots Diagnosesystem
Das Herz­stück des Dia­gno­se­systems – die „hoots|one“ Box. (Foto: Torsten Sohrmann)

Mit unserem System kann man sich solche Daten während der Fahrt auf dem Smart­phone anzeigen lassen, ohne dass Zusatz­in­stru­mente ins klas­sische Arma­tu­ren­brett ein­gebaut werden müssen. Dies ist für viele Old­ti­mer­be­sitzer auf­grund der wich­tigen Ori­gi­na­lität in den Fahr­zeugen essen­tiell. Unsere Sen­soren werden dafür von außen an die ent­spre­chenden Motor­kom­po­nenten angebaut und an die im Motorraum befind­liche „hoots|one“ Box ange­schlossen. Diese über­mittelt dann die Daten via Blue­tooth an das Smart­phone des Oldtimerfahrers.

Für unsere App hat Mat­thias ver­schiedene vir­tuelle Anzei­ge­instru­mente in klas­si­schem Design ent­wi­ckelt, damit es sich in das his­to­rische Fahrzeug har­mo­nisch einfügt. Neben der reinen Anzeige kann der Nutzer auch Motor­daten spei­chern und sie wie in einer Blackbox aus­lesen. Das kann später bei einer Repa­ratur helfen, Fehler schneller zu finden. Ein wei­teres Feature ist die Dieb­stahl­warn­anlage. In Gesprächen mit Old­ti­mer­be­sitzern und Ver­si­cherern haben wir gemerkt, dass auch hier ein echter Bedarf besteht. Sollte jemand das Fahrzeug unbefugt bewegen, erkennt die Box das und der Besitzer bekommt live eine Benach­rich­tigung auf sein Handy und kann dann per GPS sein Fahrzeug orten.

 

Wie ent­stand die Idee und wann habt ihr ent­schieden sie auch umzusetzen?

Wir schrauben seit ungefähr 18 Jahren an Old­timern und „his­to­ri­schen“ Motoren. Dabei haben wir fest­ge­stellt, dass uns immer wieder Infor­ma­tionen zum Zustand des Motors fehlen. Während dieser Zeit arbei­teten Frank und ich gemeinsam am Institut für Auto­mo­bil­technik der TU Dresden und haben uns viel mit der Fahr­zeug­dia­gnose beschäftigt. Irgendwann haben wir uns gedacht, warum nicht einfach moderne Mess­technik und klas­sische Fahr­zeuge mit­ein­ander verbinden.

Die Idee ein mobiles Dia­gno­se­system für klas­sische Fahr­zeuge zu ent­wi­ckeln, ent­stand aber erst 2015 in unserer Garage. Als Frank einen Defekt an seinem Auto hatte, haben wir zunächst geschaut, ob es nicht schon etwas am Markt gibt, was unsere Zwecke erfüllt. Aller­dings gab es nur teure und kom­pli­zierte Mess­technik für den Werk­statt­be­reich. Als wir uns mit Freunden aus der Old­ti­mer­szene aus­ge­tauscht haben, haben wir fest­ge­stellt, dass alle das gleiche Problem haben. Das hat uns bestärkt, ein eigenes Plug-and-Play Dia­gno­se­system zu entwickeln.

 

Was macht das Gründen im Ver­gleich zu einer Anstellung besonders?

Für uns ist es vor allem das Thema Selbst­ver­wirk­li­chung. Wir haben schon lange den Gedanken uns selb­ständig zu machen mit uns her­um­ge­tragen. Mit hoots haben wir nun die Mög­lichkeit, unsere eigenen Ideen umzu­setzen und gleich­zeitig unser Hobby mit dem Job zu verbinden.

Ich hätte auch die Mög­lichkeit gehabt, eine gut bezahlte Stelle bei einem großen Auto­mo­bil­her­steller anzu­treten. Aller­dings hatte ich nicht wirklich Lust auf eine Kon­zern­tä­tigkeit und einen Umzug nach Süd­deutschland. Da waren auch die mone­tären Aspekte zweitrangig.

Nach langem Über­legen und auch der Beratung von dresden|exists haben wir uns gedacht, warum pro­bieren wir es nicht einfach. Und es war die beste Ent­scheidung, die wir treffen konnten. Mit all den Erfah­rungen, die wir in den ver­gan­genen drei Jahren gesammelt haben, wird eine Anstellung für uns immer unin­ter­es­santer. Auch in all die Themen die wir anfangs nicht auf dem Schirm hatten, sind wir rein­ge­wachsen und davon nicht dümmer geworden. Das ist das Schöne daran!

 

Wie sieht bei euch ein üblicher Arbeitstag aus?

die hoots-App
Die hoots-App bringt Motor­daten in klas­si­schem Design aufs Smart­phone. (Foto: hoots classic GmbH)

Unser Alltag hat sich mit der Zeit immer wieder stark ver­ändert. Zu Beginn, als wir mit­hilfe des EXIST-Grün­der­sti­pen­diums den ersten Pro­to­typen ent­wi­ckelt haben, lagen klar Ent­wick­lungs­themen im Fokus. Für eine Unter­neh­mens­gründung brauchten wir ja schließlich ein funk­tio­nie­rendes Produkt. Vor der Gründung selbst wurde dann aber die Ent­wicklung eines trag­fä­higen Geschäfts­mo­dells und eine solide Finanz­planung immer wich­tiger. Wie soll das Unter­nehmen eigentlich auf­gebaut sein? Wie gründet man eine GmbH? Welche Pflichten haben wir als Gesell­schafter und Geschäfts­führer? Das alles waren Dinge, mit denen man als Uni­mit­ar­beiter keine Berührung hat.

Jetzt, wo wir die hoots classic GmbH gegründet haben, müssen wir uns bei­spiels­weise damit aus­ein­an­der­setzen wie wir pro­du­zieren und wie wir das Produkt an den Kunden bringen. Da all diese Themen sehr viel­schichtig sind, teilen wir uns zu dritt in die ver­schie­denen Auf­gaben rein. Frank ist derzeit viel auf Messen sowie bei poten­zi­ellen Kunden unterwegs und ver­handelt mit Lie­fe­ranten. Mat­thias ist mit der­Wei­ter­ent­wicklung unserer hoots-App voll aus­ge­lastet und bei mir sind es eher die weitere Elek­tro­nik­ent­wicklung und die recht­lichen sowie steu­er­recht­lichen Fra­ge­stel­lungen, die das Leben einer GmbH so mit sich bringen.

 

Was waren die größten Her­aus­for­de­rungen auf dem Weg in die Selbst­stän­digkeit und wie habt ihr sie bewältigt?

Die größte Her­aus­for­derung war es, den ersten Schritt zu wagen und zu sagen, wir machen das jetzt! Jeder hat ein gewisses Sicher­heits­be­dürfnis. Das mussten wir ein wenig bei­sei­te­schieben, um die Risiken ein­zu­gehen, die eine Selb­stän­digkeit so mit sich bringt. Die erfolg­reiche Ein­werbung des EXIST-Grün­der­sti­pen­diums hat uns dabei sehr geholfen.

Auch die Anschluss­fi­nan­zierung war ein großes Thema. Wir haben gemerkt, dass der nächste Schritt der Unter­neh­mens­ent­wicklung nur mit externem Kapital zu machen ist. Aller­dings haben wir uns die Suche nach einem Investor zu einfach vor­ge­stellt. Wir waren auf vielen Ver­an­stal­tungen und haben viele Gespräche mit Inves­toren geführt. Trotz großen Zuspruchs, kam es lange zu keiner Finan­zierung. Auch wenn uns das noch keine schlaf­losen Nächte bereitet hat, war die Situation unbe­frie­digend. Schließlich haben wir nach ein­einhalb Jahren gezielter Suche unseren jet­zigen Investor durch Zufall gefunden.

 

Was macht euch besonders stolz?

Besonders stolz macht uns, dass Leute uns unge­fragt anrufen und fragen, wann man unser System kaufen kann. Die Kunden wollen es unbe­dingt haben und wir spüren einen unglaub­lichen Zuspruch trotz des zum Teil etwas kon­ser­va­tiven Kun­den­kreises. Einen typi­schen Kunden für das „hoots“ Dia­gno­se­system gibt es ja nicht. Unser Kunde ist zwar aus­schließlich männlich aber dafür zwi­schen 25 und 70 Jahren alt, hat ein Fahrzeug das zwi­schen 25 und 80 Jahren alt ist und hat ent­weder hoch­preisig restau­rieren lassen oder seinen Old­timer selbst zusam­men­ge­schraubt. Ange­fangen vom Auto­me­cha­niker über den Inge­nieur bis hin zum pro­mo­vierten Juristen – wir müssen uns auf die jewei­ligen Kunden indi­vi­duell ein­stellen. Weil wir selbst jah­relang Old­timer restau­riert haben, kommen wir authen­tisch rüber. Und der Dok­tor­titel im Bereich Fahr­zeug­technik hilft manchmal auch ein wenig. So haben wir in Gesprächen auf Messen oder Old­ti­mer­treffen bisher fast jeden über­zeugen können. Das ist ein gutes Gefühl!

 

Welche Unter­stützung hat euch in der Grün­dungs­phase besonders geholfen?

Wir können ehrlich sagen, dass es unser Unter­nehmen ohne das Grün­der­netzwerk dresden|exists nicht geben würde. Die vielen Kon­takte, Coa­chings und Netz­werk­ver­an­stal­tungen zu den ver­schie­densten Themen haben uns sehr geholfen. Als Inge­nieur hat man vor allem eine tech­nische Sicht­weise. Dass jemand unsere Ideen auch aus dem wirt­schaft­lichen Blick­winkel hin­ter­fragt hat, war sehr wichtig. Am Ende muss ein Produkt ja wirt­schaftlich gefertigt werden und aus­rei­chend Kunden finden, damit das Unter­nehmen lang­fristig erfolg­reich ist. Das hat uns am Anfang viel Geduld abver­langt, weil für uns doch alles klar schien. Aber man muss lern­bereit sein und Kritik in Bereichen anzu­nehmen, in denen man selbst noch nicht wirklich fit ist.

Auch das EXIST-Grün­der­sti­pendium und im Anschluss das Tech­no­lo­gie­grün­der­sti­pendium der SAB waren für uns eine essen­tielle Unter­stützung. So konnten wir uns Vollzeit auf die Ent­wicklung kon­zen­trieren und erste Kun­den­kon­takte knüpfen. Das alles über den Umweg einer Neben­tä­tigkeit zu machen, hätte ver­mutlich nicht funk­tio­niert. Auch bietet die Anstellung eine trü­ge­rische Sicherheit und nimmt den Druck, schnell erste Kunden gewinnen zu müssen. Durch die För­derung gab einen klar defi­nierten Zeitraum in dem wir finan­ziert wurden und danach mussten wir auf eigenen Füßen stehen.

Hoots Bulli
Fir­men­wagen à la hoots. (Foto: hoots classic GmbH)

 

Welche Erfah­rungen oder Tipps möchtet ihr anderen Gründern mit auf den Weg geben?

Seid lern­fähig, nehmt Kritik als etwas Posi­tives an und lasst euch davon nicht abschrecken. Habt den Mut, es einfach mal zu pro­bieren! Vor allem muss man aber an sich und seine Ideen glauben, um die Angst vorm Scheitern zu über­winden und um den ersten Schritt zu gehen. Dabei hilft es ungemein sich Gleich­ge­sinnte zu suchen, die sich gegen­seitig unterstützen.

 

Wo seht ihr euer Unter­nehmen in den nächsten 5 Jahren?

Frank hätte gern ein Büro in Göteborg, Mat­thias eines in Wel­lington (Neu­seeland) und ich gern in Bangkok. Aber Spaß bei­seite! Wir haben ganz klar das Ziel, nach dem deut­schen Old­ti­mer­markt auch den inter­na­tio­nalen Markt zu erobern. Vor allem die USA und Schweden sind für uns sehr inter­es­sante Ziel­märkte, da es dort eine noch viel größere Begeis­terung für his­to­rische Fahrzeug gibt als bei uns in Deutschland. Wir wollen mit unserem System einen Fuß­ab­druck in der Szene hin­ter­lassen und wir glauben, dass wir das schaffen. Das moti­viert uns jeden Tag aufs Neue!

 

Mehr über hoots erfahrt ihr unter www.hoots.de oder folgt hoots bei Facebook und Instagram.

 

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