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Spenden statt weg­werfen! Wie innatura fabrikneue Mar­ken­pro­dukte zu Bedürf­tigen bringt.

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen einen Anruf: Du machst doch Pro­jekte im sozialen Bereich. Ich hätte 200.000 Fla­schen Shampoo, die falsch eti­ket­tiert sind. Die könnt ihr unter zwei Bedin­gungen gespendet haben: Die Ware muss in 24 Stunden abgeholt sein und sie darf nicht auf dem Schwarz­markt auf­tauchen! Was macht man in so einer Situation? Ganz klar, man ver­sucht Emp­fänger zu finden – aber wer hat auf die Schnelle die Kapa­zi­täten für 200.000 Shampoo-Fla­schen? Niemand! In diesem Fall bedeutete es, dass die Ware ent­sorgt wurde. Für die Unter­neh­mens­be­ra­terin Dr. Juliane Kronen war es der Anlass 2011 innatura zu starten. Auf dem 44. Grün­der­foyer berichtete sie mit viel Energie, Witz und harten Fakten, welche Her­aus­for­de­rungen sie bei der Gründung ihres Sozi­al­un­ter­nehmens meistern musste.

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Von der Unter­neh­mens­be­ra­terin zur Social Entre­pre­neurin – Dr. Juliane Kronen auf dem 44. Grün­der­foyer (Foto: Robert Gebler)

Trotz tur­bu­lentem Start mit kurz­fris­tigem Wechsel der Refe­rentin waren fast 300 Gründer und Grün­dungs­in­ter­es­sierte im Hör­saal­zentrum der TU Dresden zusam­men­ge­kommen, um von der innatura-Grün­derin zu lernen. Doch bevor es soweit war, standen noch vier Dresdner Startups im Ram­pen­licht. Im Ele­vator Pitch hatten sie jeweils 2 Minuten, um ihre Geschäfts­ideen zu erklären:

  • Marko Kaufmann von Simulics erklärte, wie das Team mit seinem Reverse-Debugger Bugs in Software findet. Durch „Zurück­spulen“ lassen sich Soft­ware­tests deutlich ver­ein­fachen und Zeit und Kosten bei der Ent­wicklung reduzieren.
  • Mandy Schipke von NOVUM engi­neerING berichtete, wie ihr Dia­gno­se­wech­sel­richter dafür sorgt, dass Brenn­stoff­zellen länger zuver­lässig arbeiten. Sie nutzte außerdem die Gele­genheit, um neue Mit­ar­beiter und inter­es­sierte Stu­denten für Bachelor- oder Mas­ter­ar­beiten zu werben.
  • Zell­me­chanik Dresden ent­wi­ckelt Geräte, die den mecha­ni­schen „Fin­ger­ab­druck“ von Zellen bestimmen. Bei einer Avocado erkenne man durch Abtasten, ob diese reif ist, ver­an­schau­lichte Dr. Daniel Klaue das neue Ver­fahren. Zell­me­chanik Dresden kann kranke Zellen im Blut „ertasten“ und will so die Dia­gnose von Krank­heiten vereinfachen.
  • Bio­conex hat ein umwelt­freund­liches Beschich­tungs­ver­fahren für Kunst­stoffe ent­wi­ckelt, das Dr. Jürgen Hof­inger vor­stellte. Mit diesem erhalten Tür­griffe von Autos oder auch Bad­ar­ma­turen ihren „Cool Touch“ – ganz ohne Chromschwefelsäure.
Marco Kaufmann von Simulics (Foto: Robert gebler)
Marco Kaufmann, Simulics
(Foto: Robert gebler)
Mandy Schipke, Novum engineerING (Foto: Robert Gebler)
Mandy Schipke, Novum engi­neerING
(Foto: Robert Gebler)

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Jürgen Hofinger, Biconex (Foto: Robert Gebler)
Dr. Jürgen Hof­inger, Biconex (Foto: Robert Gebler)
Dr. Daniel Klaue, Zellemchanik Dresden (Foto: Robert Gebler)
Dr. Daniel Klaue, Zell­me­chanik Dresden (Foto: Robert Gebler)

Shampoo, Fuß­bälle, Windeln – Ein „Kauf­laden“ für soziale Einrichtungen

„Eine Berufs­ent­scheidung ist eine ero­tische Ent­scheidung. Man merkt, wenn es kribbelt im Bauch. Und dann ist es richtig, das zu tun“, beschreibt Juliane Kronen ihre Ent­scheidung mit innatura einen neuen Weg ein­zu­schlagen. „Wenn du erfährst, dass Pro­dukte, die völlig in Ordnung sind, einfach weg­ge­worfen werden, fragst du dich, wie oft das eigentlich pas­siert“, so Kronen. Sie hätte dann das gemacht, was Berater immer machen: ein Projekt defi­niert. Gesagt, getan. Gemeinsam mit Kol­legen der Boston Con­sulting Group machte sie eine umfas­sende Analyse. Ergebnis: Die Industrie in Deutschland ent­sorgt jährlich Kon­sum­güter im Wert von ca. 7 Mil­li­arden Euro. Dar­unter fallen Waren aus Stand­ort­schlie­ßungen ebenso wie Feh­leti­ket­tie­rungen oder Rest­mengen aus Pro­motion-Aktionen, die völlig in Ordnung sind. Da diese Pro­dukte an andere Stelle aber dringend gebraucht werden, wollte Juliane Kronen das Projekt nicht einfach in der Schublade ver­schwinden lassen. Die Idee für innatura war geboren.

„Der Kern von innatura ist, dass wir glaub­würdig ver­sprechen, dass Spenden dahin kommen, wo sie gebraucht werden und umge­kehrt garan­tieren wir dem Emp­fänger, dass sie fabrikneue Pro­dukte erhalten“, erklärt Kronen. Da die Idee Sach­spenden zu ver­mitteln zwar total simpel ist, aber auf dem deut­schen Markt noch nicht exis­tierte, galt und gilt es nach wie vor Über­zeu­gungs­arbeit zu leisten.

So sind Spenden für Unter­nehmen durch die Umsatz­steu­er­pflicht oft teurer als die Ent­sorgung, erfordern großen logis­ti­schen Aufwand und ent­lassen die Unter­nehmen nicht aus der Pro­dukt­haftung. Ande­rer­seits stehen immer zum fal­schen Zeit­punkt große Mengen zur Ver­fügung und sind für die Emp­fän­ger­or­ga­ni­sa­tionen nicht planbar. Innatura schafft die Brücke zwi­schen den Spendern, die einen glaub­wür­digen Beitrag zu CSR leisten können, und den gemein­nüt­zigen Orga­ni­sa­tionen, die Spenden bedarfs­ge­recht erhalten! Doch so einfach machen es die Rah­men­be­din­gungen dann auch nicht: Das neu­artige Geschäfts­modell hat viele Fragen auf­ge­worfen. Wie werden bei­spiels­weise die Lager­be­stände ver­bucht und bewertet? Oder, darf innatura Spen­den­be­schei­ni­gungen aus­stellen? Nicht alle konnten innatura schon klären!

Vorbild für innatura war die bri­tische Orga­ni­sation In Kind Direct, die seit 1996 Sach­spenden ver­mittelt und bereits viel Erfahrung hat. Inzwi­schen ist innatura Teil des inter­na­tio­nalen In Kind Direct Netz­werks und arbeitet eng mit den anderen Orga­ni­sa­tionen zusammen. So geht schon einmal Bett­wäsche, die nicht auf deutsche Betten passt, nach Frank­reich oder LKWs voller Windeln aus einer Werks­schließung in Schottland nach Deutschland.

 

Foto: Robert Gebler
Grün­dungs­messe: Infor­mieren und Aus­tau­schen
(Foto: Robert Gebler)
Gefragte Gesprächspartnerin: Dr. Juliane Kronen (Foto: Robert Gebler)
Gefragte Gesprächs­part­nerin: Dr. Juliane Kronen (Foto: Robert Gebler)

Bei der Gründung ent­schied sich Kronen bewusst für ein gemein­nüt­ziges Unter­nehmen und nicht für einen Verein. Da innatura eng mit großen Unter­nehmen zusam­men­ar­beite, sei es wichtig pro­fes­sio­nelle Stan­dards und maximale Trans­parenz zu zeigen. „Am liebsten hätte ich natürlich eine Stiftung gegründet. Kapi­tal­ge­deckt.“ Da sie das aber nicht hatten, musste es also einen anderen Weg geben. Banken fanden das Projekt lediglich „inter­essant“ und auch Stif­tungen wollten zunächst ein lau­fendes Projekt sehen. Kronen konnte letztlich Bon­Venture, einen der Pio­niere für soziale Invest­ments in Deutschland, für die Anschub­fi­nan­zierung gewinnen, sodass innatura im Herbst 2013 die ope­rative Geschäfts­tä­tigkeit auf­nehmen konnte. Die Grün­derin hat sich über die damit ver­bundene Due Dili­gence Prüfung gefreut, um so das eigene Unter­nehmen von Anfang an auf Herz und Nieren geprüft zu wissen.

Die Finan­zierung der innatura gGmbH ist aller­dings nur eine der dau­er­haften Her­aus­for­de­rungen: So muss per­manent zwi­schen Lager­ka­pa­zität und Eng­pässen balan­ciert werden, Logis­tik­pro­bleme gelöst und die Spen­der­basis aus­gebaut werden, um ein Kern­sor­timent zur Ver­fügung stellen zu können. Aber auch bei den sozialen Ein­rich­tungen muss die Bekanntheit erhöht und eine stabile Kun­den­basis geschaffen werden.

In der Zusam­men­arbeit mit Logis­tikern kamen wohl schon Zweifel auf, wenn sie auf „so eine Bera­terin treffen“. Mit einem bei­läu­figen Hinweis auf ihren Gefahr­gut­füh­rer­schein in allen Klassen, konnte Kronen diese aber schnell aus­räumen. Diese Authen­ti­zität und ihrer zupa­ckenden Men­ta­lität ist es sicher zu ver­danken, dass sie beim Grün­der­foyer auch von vielen Erfolgen berichten konnte:

  • Innatura hat bereits mehr als 25 Spen­der­un­ter­nehmen gewonnen, dar­unter große Kon­sum­gü­ter­her­steller und Händler wie Amazon Deutschland, Bei­ersdorf und dm drogerie-markt.
  • In zwei Jahren hat das Unter­nehmen etwa 1.000 Paletten an Spenden erhalten und mussten noch nie eine Spende ablehnen. Selbst Kondom-Weih­nachts­ka­lender, deren Halt­barkeit in zwei Monaten ablief oder 30 LKWs auf­ge­pumpte Fuß­bälle – „Ein Traum für die Logistik“, wie Juliane Kronen fest­stellte – konnten sie für eine soziale Zwecke vermitteln.
  • Mehr als 500 Orga­ni­sa­tionen haben inzwi­schen bei innatura bestellt und Sach­spenden im Wert von mehr als 3 Mio. Euro erhalten.
  • 5 Mit­ar­beiter halten die Geschäfts­stelle und das Lager am Laufen.

Vielen Dank, Juliane Kronen! Ich glaube nicht nur wir von dresden|exists waren gefesselt von dem Bericht, der keine Sozi­al­ro­mantik ver­mit­telte, sondern zeigte, wie man mit höchster betriebs­wirt­schaft­licher Pro­fes­sio­na­lität Her­aus­for­de­rungen meistert und soziale Pro­bleme lösen kann!

Wei­ter­sagen! Viel­leicht kennt Ihr ja gemein­nützige Orga­ni­sa­tionen oder poten­tielle Spender, denen Ihr von innatura berichten könnt. Sendet Hin­weise gerne auch an das Team von innatura.

Noch nicht genug gesehen? Mehr Ein­drücke vom 44. Grün­der­foyer gibt es in unserem Flickr-Foto­album.

 

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