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Teamspirit in Krisenzeiten: „Homeoffice ist wie Zähneputzen mit Nutella.“

Für viele Startups hat der Beginn der Corona-Krise den abrupten Abbruch der physischen Entwicklungstätigkeit bedeutet. Der Wechsel ins Homeoffice erforderte Anpassung, Flexibilität und Verständnis der kinderlosen TeamkollegInnen, aber auch neue Ideen und Prioritäten. Auch wenn die Krise je nach Branche völlig unterschiedliche Auswirkungen hat, spielt die intrinsische Motivation erfinderisch zu sein, Dinge auszuprobieren und anzupassen, eine entscheidende Rolle für die weitere Entwicklung. In den vielen Gesprächen, die wir in den letzten Wochen führten, haben wir nicht nur die Herausforderungen im Startup-Remote-Alltag kennengelernt, sondern auch viele individuelle Lösungsansätze gesehen. Einige interessante Insights möchten wir mit euch teilen.

„Homeoffice ist wie Zähneputzen mit Nutella“

Der Umzug ins Homeoffice gelang den meisten unserer Teams recht problemlos: Bereits vorher waren viele gewohnt an agile und digitale Arbeitsprozesse, verfügten über entsprechende Software und Kommunikationstools, deren Anwendung nun verfeinert wurde. Die ersten Corona-Wochen wurden fleißig genutzt, um eine stabile Interaktion sowohl im Team als auch mit Kunden und Partnerprojekten zu etablieren. Viele bedauern jedoch den Verlust sozialer Funktionen des Teams in der Zusammenarbeit: spontane Brainstormings auf dem Gang und Ideenaustausch beim Mittagessen fehlt.

Remote Work Idee 1: Ein Team hat einen 15-minütigen „Social Call“ auf Basis freiwilliger Teilnahme installiert, bei dem sich die Kolleginnen und Kollegen per WebCon mit einfach mal über Gott und die Welt austauschen.

Remote Work Idee 2: Die Projektleiterin eines anderen Teams eruiert in wöchentlichen Care-Anrufen bei allen Projektbeteiligten persönlich am Telefon das Wohlbefinden und die private Situation und potentielle Belastungen während der Krise.

Ob Team-Meeting oder Social Call – gern auch mal mit Kinderbeteiligung.

In der Generation der meisten Gründer und Gründerinnen zwischen 25 und 40 werden natürlich nicht nur Unternehmen gegründet, sondern auch Familien. Entsprechend viele (Klein-)Kinder werden aktuell zuhause betreut. So berichten auch fast alle von zunehmenden Herausforderungen im Bereich der Kinderbetreuung. Besonders bereits gewachsenen Unternehmen mit vielen Angestellten bereitet die Aussicht auf längere Abwesenheit von großen Teilen der Belegschaft Sorge.

Wichtigster Punkt hierbei ist Transparenz und Austausch im Team: die Awareness für die jeweilige Situation der anderen Teammitglieder ermöglicht mehr Flexibilität durch Rücksichtnahme auf diejenigen mit privaten Belastungen. Sowohl in den Startups als auch beim dresden|exists Team sind ungewöhnliche Arbeitszeiten aktuell überhaupt keine Seltenheit mehr. Deutliche Kommunikation und häufige Absprachen zu möglichen Kapazitäten und veränderten Prioritäten nennen viele als wichtigen Punkt. Es kommt hierbei mitunter zu Neu- oder Umverteilung der Ressourcen im Team.

Remote Work Idee 3: Ein Team hat aufgrund von Überbelastung jeder beteiligten Person im Mai eine Woche Urlaub „verordnet“. Es ist egal, in welcher Woche im Mai der Urlaub genommen wird.

Remote Work Idee 4: In einem anderen Team, in dem zwei Elternteile aktiv sind, wurde für eine der beiden Personen Kurzarbeit beantragt, um die Familie zu entlasten.

Viele Teams arbeiten in Büros und Laboren mit Ressourcen und Equipment der zugehörigen Forschungsprojekte an der Uni oder Forschungseinrichtung. Der eingeschränkte Zugang hierzu hat viele kreativ werden lassen: Zum „Homeoffice“ kam das „Home Lab“ dazu, um die Prototypenentwicklung weiter verfolgen zu können. Besonders in der Krise kann man sich noch mal vor Augen führen, dass Prototypen nicht perfekt sein müssen: Iterationsschleifen zu verkürzen oder die Zielsetzungen für das Zwischenergebnis nach unten korrigieren, hilft enorm, unter den aktuellen Gegebenheiten voran zu kommen.

Remote Work Idee 5: Für die Produktentwicklung wurde das Wohnzimmer kurzfristig umgestaltet und in ein Home Lab verwandelt.

Remote Work Idee 6: Ein Team nutzt die Zeit fürs Marketing und stellt Visiere für medizinisches Personal her.

Hóme Lab
Vom Home Office zum Home Lab

Für viele Startups sind Messen elementar, um sich und ihre Innovation zu präsentieren, potentielle Kunden und Partner zu treffen, erste Verkäufe zu tätigen, wertvolles Feedback einzuholen. 2020 ist diese Option für alle ins Wasser gefallen und hat damit die Startpläne vieler durchkreuzt. Für einige fällt dadurch der geplante Markteintritt flach und müssen mit großer Verzögerung rechnen. Kundenkontakte, Termine, Aufträge wurden gecancelt oder auf ungewisse Zeit nach hinten verschoben. Das bietet für Teams, die beispielsweise von EXIST gefördert werden jedoch die Möglichkeit, Meilensteine wie Businessplan, Marketingunterlagen, Websitegestaltung und konzeptionelle Arbeit vorzuziehen.

Remote Work Idee 7: Eines unserer Startups benutzt seit Beginn der Krise LinkedIn als neue Anlaufstelle für Akquise und erstellt Produktvideos zu Demonstrationszwecken, weil direkte Kundentermine ausfallen.

Remote Work Idee 8: Ein anderes Team ist zu aktiver Kundenansprache per Telefon übergegangen und nutzt die bisherigen Kontakte geschickt, um weiter im Gespräch zu bleiben. Das Homeoffice hat dazu geführt, dass viele Menschen leichter zu erreichen sind. Außerdem sparen sie enorme Dienstreisekosten.

Akute Auftragsausfälle durch Absagen von geplanten Geschäften oder zögerlichem Investitionsverhalten führen aber bei bereits aktiver Geschäftstätigkeit zu Liquiditätsengpässen ab jetzt bis ins zweite Halbjahr. Die wenigsten verfügen über Rücklagen abseits der Stammeinlage. Startups versuchen dem häufig direkt mit Fördermittelbeantragung zu begegnen. Leider fallen viele Startups durch die Kriterien der Fördermittelgeber oder die Konditionen passen nicht zusammen. Der Klassiker ist ein frisch gegründetes Unternehmen ohne Umsätze im Vorjahr, das nun am Ende der Gründungsförderung aufgrund von Corona ohne geplante Aufträge und Umsätze dasteht.

Unsere Kollegin Sandra hat zu den Fördermöglichkeiten für existenzbedrohte Startups gemeinsam mit Ute Zesewitz von der IHK Dresden einen wichtigen Post erstellt.

Der Erfolg von Startups hängt erheblich vom Timing ab. Projekte, die noch nicht gegründet sind, haben diesen Schritt mitunter in spätere Jahresabschnitte verlegt. Das ist ein schlechter Trost für frisch Gegründete, deren Markteintritt verzögert und massiv erschwert wird. Gerade die Planungsunsicherheit bereitet vielen Sorge. Manche begreifen die Krise allerdings als echte Chance: die Zeit der Isolation für schönere Produkte und Finetuning zu nutzen, um dann mit Ende der Krise auf dem Markt einzuschlagen und die Neustartschwierigkeiten bestehender Wettbewerber locker überspringen zu können.

An unternehmerischer Motivation mangelt es bei unseren Startups trotz allem überhaupt nicht: Nach dem Motto „Jetzt erst recht!“ gehen viele mit vollem Tatendrang ans Werk und sind sich sicher, dass sie mit langem Atem und gutem Teamgeist durchkommen werden. Was an den Gründerpersönlichkeiten nagt, ist die Unsicherheit: Wie lange dauert das alles noch? Werden Kundinnen und Auftraggeber in naher Zukunft noch in Innovationen investieren, bei denen das nice-to-have vielleicht doch größer als das must-have ist? Der ein oder die andere nutzt die Gelegenheit aber auch zur Reflektion: ohne grundsätzliche Zweifel zu hegen, ist die Krise auch ein guter Zeitpunkt das ständige Höher-Schneller-Weiter einmal zu hinterfragen.

Die Stimmung bei den Startups im Umfeld von dresden|exists spiegelt die volle Bandbreite der Emotionen wider. Von Glücksgefühlen bis Resignation ist alles dabei. Ein Gründer zitierte am Telefon die ARD-Korrespondentin Kirsten Girschick: „Homeoffice mit Kindern ist wie Zähneputzen mit Nutella.“ Man denkt erstmal „Hmm! Toll! Endlich mal so viel Zeit mit den Kindern verbringen!“ Dann der Realitycheck: ein paar Wochen lang ist es stark kontraproduktiv und dann nur noch destruktiv – wenn man das Ergebnis betrachtet: Entweder für die Arbeit, oder die psychische Gesundheit der Eltern und Kinder – oder für beides. Und die Herausforderungen wachsen mit jeder Woche.

Für diejenigen, die bereits vor der Krise mit hohem Wellengang zu kämpfen hatten, kann Corona der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das Thema „Team“ kommt unserer Erfahrung nach früher oder später bei allen Startups auf den Tisch: aber die aktuelle Situation befördert diesen Prozess. Wer hier allerdings gut durchkommt, wird mit großem Vertrauen in das eigene Team weitermachen können.

Auch wir von dresden|exists kennen einige der Herausforderungen im Remote-Alltag und können uns gut in euch hineinversetzen. Bei uns gibt es immer ein offenes Ohr und eine stabile Leitung für eure Gründerfragen – Kinder in der Videokonferenz inklusive.

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