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Kochen wie bei Muttern – Interview mit Erhard Kleint, Gründer und Inhaber der Kantine im Postamt

Zum Anlass unseres nächsten Gründerfoyers, 05. Mai 2011, mit Prof. Dr. Jörg Sennheiser möchten wir Ihnen gerne eine ganz anderes Unternehmen vorstellen, eines das hier in Dresden gegründet wurde. Damit möchten wir Ihnen auch einen kleinen Blick hinter die Kulissen unserer Veranstaltung gewähren.

Wenn Sie das Gründerfoyer schon einmal besucht haben, erinnern Sie sich bestimmt an die Suppentheke, an der es jedes Mal zwei leckere Spezialitäten aus der Region angeboten werden. Dieses Mal beziehen wir die Suppen von einem Koch, bei dem sicherlich viele, die in der Dresdner Neustadt zu Hause sind, schon mal gegessen haben – von Herrn Kleint, dem Inhaber der Postkantine auf der Königsbrückerstraße. Auch er ist ein Gründer und inzwischen erfolgreicher Unternehmer – Lesen Sie hier über seine Erfahrungen:

Herr Erhard Kleint
Blick in die Postkantine

Was ist der Inhalt Ihrer Selbstständigkeit?

Ich möchte den Menschen, die in der Dresdner Neustadt arbeiten, gute Hausmannskost zu bezahlbaren Preisen bieten. Die Leute sollen den Unterschied zwischen unserer Küche und den mittlerweile weit verbreiteten Fertiggerichten schmecken. Es ist mir sehr wichtig jede Woche einen ausgewogenen Speiseplan anzubieten, der für alle unsere Gäste etwas bereit hält.

Wie und wann kam die Idee dazu?

1998 hatte die damalige Post die Kantine ausgeschrieben. Ich war zu dieser Zeit als Chefkoch in der öffentlichen Gastronomie tätig, was sich wegen der Wochenend- und Feiertagsarbeit nicht immer besonders gut mit der Familie vereinbaren ließ. Außerdem wollte ich wieder zu den Wurzeln des Kochens zurück kehren, denn die Grundsätze der Speisenzubereitung werden heute in vielen Restaurants vernachlässig.

Auf Grund meiner Erfahrungen in der Gemeinschaftsverpflegung, die ich während meines Studiums und meiner Zeit als Großküchenchef gesammelt hatte, entschloss ich mich auch ein Konzept für den Weiterbetrieb der alten Postkantine einzureichen. Zusammen mit einem alten Studienfreund erarbeitete ich einen Businessplan unter dem Motto „Kochen wie bei Muttern“. Ich war damals sehr glücklich, dass ich mich als Privatmann mit meinen Vorstellungen einer guten Kantinenversorgung gegen viele andere Anbieter durchsetzen konnte.

Was waren die drei größten Herausforderungen auf dem Weg zur Selbstständigkeit und wie haben sie sie bewältigt?

Obwohl ich von meinem Konzept überzeugt war, musste es sich noch in der Realität beweisen, denn natürlich bestand auch das Risiko, dass diese Philosophie von den Gästen nicht mitgetragen wird. Es galt abzuwarten, wie die neue Kantine sich etablieren würde.

Anfangs bezahlten wir für den Essenssaal und die Küche noch keine Miete. Dafür durfte ich eine bestimmte Preisgrenze für die Speisen nicht überschreiten. Dass die Preise knallhart kalkuliert werden müssen hat sich auch gegenwärtig nicht geändert. Damals wie heute ist eine bestimmte Anzahl an Mittagsgästen wichtig für unseren Fortbestand.

Zu Beginn war auch die Portionsplanung nicht so ganz einfach. Es besteht immer ein gewisses Risiko beim „blinden“ Kochen. Wie viele Portionen werden davon wirklich gegessen? Nach den vielen Jahren hier in der Neustadt kennen wir unsere Gäste und wissen welche Vorlieben sie haben. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Flecke-Eintopf. Es gibt einige Leute die extra wegen diesem Gericht, alle sechs bis acht Wochen mittags zu uns kommen, andere können diesem Eintopf nicht so viel abgewinnen. Also kochen wir nur circa 30-40 Portionen.

Was macht Sie besonders stolz und was sind Ihre bisherigen Erfolge?

Ohne große Werbekampagnen haben wir es geschafft unsere tägliche Portionsmenge zu verdoppeln. Das Konzept hat die Leute hier in der Umgebung einfach überzeugt, sodass die meisten seit vielen Jahren täglich zu uns kommen und sie haben es ihren Kollegen und Nachbarn erzählt.

Außerdem ist unsere Mitarbeiterbesetzung bis auf wenige Ausnahmen immer noch die Gleiche wie 1998. Wir sind ein eingespieltes Team, in dem großes Vertrauen und Verlässlichkeit untereinander herrscht. Wenn Aushilfskräfte sagen, dass sie gern wieder bei uns arbeiten würden, dann macht mich das stolz.

Gab es Tage, an denen Sie nicht wussten, wie es weitergehen soll? Wie sind sie damit umgegangen?

Ich bin von Natur aus ein optimistischer Mensch. Ich hatte durchaus die ein oder andere schlaflose Nacht, aber am nächsten Morgen ging es dann frisch neu ans Werk und bis jetzt ist es immer weitergegangen.

Würden Sie wieder gründen? Welche Erfahrungen möchten Sie an andere weitergeben, die jetzt vor der Entscheidung zur Selbstständigkeit stehen?

Ich würde mich auf jeden Fall wieder so entscheiden, wie ich es damals getan habe, denn in der Postkantine konnte ich meine Vorstellungen von einer bezahlbaren, schmackhaften Mittagsversorgung verwirklichen.

Seitdem ich mein eigener Chef bin habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Wort Selbstständigkeit viel von der Realität wiederspiegelt: Selbstständigkeit bedeutet selbst und ständig zu arbeiten. Das sollte man vielleicht bei der Überlegung zu gründen beachten. Außerdem ist es wichtig vorher wirklich alles genau zu analysieren und durchzurechnen, um zu sehen, ob das Konzept eine Zukunft hat.

Was möchten Sie in den nächsten fünf Jahren erreichen?

Ich wäre sehr froh, wenn ich mit dem derzeitigen Inhaber des Gebäudes eine Vertragsverlängerung aushandeln könnte, sodass wir zumindest in den nächsten Jahren hier eine Zukunft haben. Ferner möchte ich, dass dieser Vertrag uns dann auch die Möglichkeit eröffnet hier Firmenfeste und Abendveranstaltungen durchzuführen. Das könnte ich mir gut vorstellen. Nach all den Jahren hätte sich die Kantine auch mal eine Auffrischungskur verdient, sodass unsere Gäste ihr Mittagessen in einer zeitgemäßen Atmosphäre einnehmen können.

Zwei kurze Fragen noch zum Abschluss: In welcher Rolle sehen Sie sich mittlerweile mehr – Chefkoch oder Geschäftsmann?

Geschäftsmann

Was ist ihr Lieblingsgericht?

Fisch in allen Variationen

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